Stavropegiale Allerheiligenkirche in Straßburg

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Weihnachtsbotschaft des Patriarchen Kyrill

06.01.2016

 Hochgeweihte Oberhirten, hochwürdige Väter, hochverehrter Mönchsstand, liebe Brüder und Schwestern!

Ich wende mich an Euch alle von einem Herzen her, das von der Freude über den im Fleisch erschienenen Sohn Gottes überfließt, und gratuliere Euch zum lichten und lebensbringenden Fest der Geburt unseres HERRN und Erlösers Jesu Christi. "Herrlichkeit in den Höhen Gott und auf Erden Friede und den Menschen Wohlgefallen" (Lk. 2, 14). Indem wir das unsagbare Herabsteigen des Heilands zu uns alle Jahre wieder verherrlichen, wie einst die Hirten in Bethlehem, die vom Engel "eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll" (Lk. 2, 10) vernahmen, eilen wir, mit geistigen Augen den Messias zu schauen, dessen Kommen die herrlichen Propheten vorhersagten, und das von einer großenZahl Männer und Frauen erwartet wurde. Und der,"den alle Nationen ersehnten" (Hag. 2, 7), so das Wort des Propheten Haggai, entäußert sich, indem er wie Knecht wird und den Menschen gleich (Phil.2, 7). Der Weltallgebieter wählt sich nicht einen Kaiserpalast, nicht die Heimstätte der Herrscher dieser Welt, nicht ein Gemach der Reichen und Vornehmen. Es gibt für hn nicht einmal einen Raum in der Herberge. Der Sohn Gottes wird in einer Höhle fürs Vieh geboren, und die Futterkrippe für Tiere wird zu seiner Wiege.Was ist ärmer, als die Höhle, und demü-tiger, als die Windeln, durch die derReichtum der Gottheit erglänzt ist? Indem Christus die äußerste Armut (Hypakoi des Festes) für das Mysterium unserer Erlösung erwählte, nahm er absichtlich nicht jene Werte an, die für sehr bedeutsam in unserer Welt gehalten werden: Macht, Reichtum, Ruhm, die vornehme Herkunft und den hohen sozialen Status. Er schlägt un sein anderes Lebensgesetz vor, das Gesetz der Demut und der Liebe, das Arroganz und Bosheit besiegt. Diesem Gesetz nach wird die menschliche Schwäche, die mit der Gnade Gottes vereint wird, zu jener Kraft, der keine Machthaber dieser Welt entgegenstehen können. Die Kraft Gottes bringt sich nicht in der irdischen Erhabenheit und im weltlichen Wohlergehen zum Ausdruck, sondern in der Einfachheit und in der Demut des Herzens. Dem Wort des hl. Serafim von Sarow nach, "sucht der HERR diejenigen, die von der Liebe zu Gott und zum Nächsten erfüllt sind: das ist der Thron, auf dem er sitzen mag ... "Sohn, gib mir dein Herz - sagt er, -und ich selbst füge dir alles Sonstige hinzu", denn das menschliche Herz kann das Königtum Gottes fassen" (aus dem Gespräch über das Ziel des christlichen Lebens). Der HERR verschmäht die Armen und Obdachlosen nicht, verachtet nicht diejenigen, die wenig Geld und einen nicht angesehenen Job haben, umso mehr er behinderte oder schwerkranke Menschen nicht missachtet. Dies alles an sich bringt Gott den Menschen nicht näher, noch entfernt es den Menschenvon ihm, weshalb dies den Menschen nicht traurig machen, oder zum Grund einer unheilvollen Verzweiflung werden soll. Der Heiland sucht nach uns selbst. "Gib mir dein Herz, mein Sohn", - ruft er uns auf (Spr. 23, 26). Das wundervolle Fest der Geburt Christi erinnert uns an die Notwendigkeit der Nachfolge Christi, der gekommen ist, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (Jh. 10, 10), und der selbst der einzige wahre Weg, die unentbehrliche Wahrheit und das echte Leben ist (Jh. 14, 6). Dass doch die unvermeidlich eintretenden Schwierigkeiten uns nicht erschrecken und dass niemand von uns an den ihm zufallenden Prüfungen zerbreche! Denn: Mit uns ist Gott! Mit uns ist Gott, und die Furcht verschwindet aus unserem Leben. Mit uns ist Gott, und wir finden Seelenruhe und Freude. Mit uns ist Gott, und wir gehen unseren Weg auf Erden in fester Hoffnung auf ihn. Indem der Mensch Christus folgt, widersteht er den Elementarmächten der Welt. Er unterwirft sich den begegnenden Verlockungen nicht und zerbricht entschieden die auf diesem Weg stehenden Schranken der Sünde. Denn die Sünde entfernt uns gerade von Gott und macht unser Leben tatsächlich bitter. Gerade die Sünde, indem sie von uns das Licht der göttlichen Liebe abschirmt, bringt uns in verschiedenste Nöte und verhärtet unsere Herzen gegenüber anderen Menschen. Die Sünde wird nur durch die Gnade des Heiligen Geistes besiegt, die uns über die Kirche gewährt wird. Die Kraft Gottes, wenn wir sie aufnehmen, verwandelt unsere innere Welt und hilft, dem Willen Gottes gemäß, die äußere Welt zu ändern. Darum verlieren die von der kirchlichen Einheit auf eine oder andere Weise Abtrünnigen, dem verdorrenden Baume ähnlich, die Fähigkeit, die wahren guten Früchte zu tragen. Heute möchte ich ein besonderes Wort an die Einwohner der Ukraine richten. Der brüdermörderische Widerstreit, der im ukrainischen Land entstanden ist, soll die Kinder der Kirche nicht teilen, indem er in den Herzen Hass erregt. Echte Christinnen und Christen können weder Nächste noch Ferne hassen. "Ihr habt gehört, - wendet sich der HERR an den ihm Zuhörenden - dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen,damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel seid; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute" (Mt. 5, 43 - 45). Dass doch diese Worte des Erlösers für uns alle zur Führung im Leben werden, und dass die Bosheit und die Abneigung gegenüber anderen niemals einen Raum in unseren Seelen finden! Ich rufe alle Kinder der multinationalen Russischen Orthodoxen Kirche auf, in besonderer Weise für das schnellstmögliche Aufhören der Feindschaft in der Ukraine zu beten, für Heilung der durch den Krieg den Menschen verursachten Wunden, sowohl der leiblichen als auch der seelischen. Lasst uns in der Kirche und zuhause Gott darum aufrichtig bitten, lasst uns auch für diejenige Christinnen und Christen beten, die ferne von unseren Ländern leben und die unter bewaffneten Konflikten leiden. In dieser lichten Nacht und in den darauffolgenden heiligen Tagen lasst uns unseren Erlöser und HERRN lobpreisen und rühmen, dem es um seiner großen Barmherzigkeit an den Menschen willen gefiel, in die Welt zu kommen. Den biblischen Sterndeutern ähnlich lasst uns Christus, dem Kind Gottes, unsere Gaben darbringen: statt Goldes – unsere aufrichtige Liebe, statt Weihrauchs – das glühende Gebet, statt der Myrrhe – die gute und sorgsame Behandlung von Nächsten und Fernen. Indem ich Euch, meine Lieben, noch einmal zum lichten Christfest sowie zum eingetretenen neuen Jahr gratuliere, wünsche ich Euch im Gebet die reiche Gnade und Erbarmung des gnadenreichen HERRN Jesus Christus. Amen.

+KYRILL

PATRIARCH VON MOSKAU UND DER GANZEN RUS'

Weihnachten 2015/2016, Moskau